Prinzipien

Empfehlungen, wie BNE gelehrt und gelernt werden kann, werden durch die didaktischen Prinzipien einer BNE dargelegt und können zudem aus Erkenntnissen kompetenzförderlicher Lernarrangements gewonnen werden.

Zentrale BNE Prinzipien sind Selbstorganisation und Selbstbestimmung.1 BNE rückt zudem mit dem Erwerb von Kompetenzen aktivierende Formen des Lernens in den Fokus. Lernen ist nicht länger der passive Erwerb von präsentiertem Wissen, sondern eine aktive Wissenskonstruktion und -aneignung durch die Lernenden,2 die zudem auch die Arbeit mit unseren Sinnen und Emotionen einschließt.

Grundlegende Prinzipien für die Gestaltung von BNE-Lernumgebungen im Detail:

Prinzip 1: Beteiligung und Teilhabe

Die Partizipation möglichst aller Menschen bzw. Gruppen von Menschen an der gesellschaftlichen Entwicklung ist ein zentraler Grundsatz der Idee der Nachhaltigkeit.3 Die Lösung von Nachhaltigkeitsproblemen machen die Integration von Wissensbeständen betroffener Akteure notwendig.4 Partizipatives Lernen greift die zentrale Forderung derAgenda 21 nach Teilhabe aller gesellschaftlichen Gruppen im Prozess nachhaltiger Entwicklung auf. BNE kann mit ihren Lehr- und Lernformen auf diese Teilhabe vorbereiten, die gezielt demokratische Handlungskompetenzen vermitteln.5 Dieses erfordert Veränderungen in Planung und Organisationsstrukturen von Bildungsmaßnahmen, was Lehren (Rolle der Workshopleiterinnen und Lehrer) und Lernen (Lernorte, Partizipation der Lernenden) betrifft. BNE geht davon aus, dass Lernprozesse selbst als Partizipationsprozesse zu gestalten sind und sich an Partizipation zu orientieren haben.6 Denn Kompetenzen können nicht einfach gelehrt oder unterrichtet werden, sie müssen selbst entwickelt werden.7 Zwischen dem Erwerb interdisziplinären Wissens (Prinzip 6: Vielfalt an Perspektiven) und partizipatorischem Lernen gibt es enge Beziehungen. Diese bestehen in einer grundsätzlichen Verständigungs- und Dialogfähigkeit, ohne die interdisziplinäres Arbeiten nicht realisiert werden kann. Damit ist auch die Teamfähigkeit als eine der wichtigsten sozialen Kompetenzen angesprochen.8 BNE erfordert daher solche Lernumgebungen, die selbstorganisiertes und projektorientiertes Lernen ermöglichen.

Prinzip 2: Handeln

Handlungsorientierung umfasst den Anspruch, die Aktivität der Lernenden ausdrücklich mitzudenken und kontinuierlich herauszufordern. Die Lernenden sollen bei der Auswahl, Zielsetzung und Gestaltung der Lernprozesse aktiv handelnd beteiligt werden, was eine Verbindung zum Prinzip der Partizipation (Prinzip 1) darstellt. Die Lernenden sollen den Wert und die Bedeutung der Bildungsinhalte für das gegenwärtige und das zukünftige Leben und Handeln erfahren, was eine Verbindung zum Prinzip 5 (Gefühle) bzw. der Wertorientierung bildet.9 Handlungsorientierte BNE ist - am Beispiel Schule - „ganzheitlicher und schüleraktiver Unterricht, in dem die (…) Handlungsprodukte (den Unterrichtsprozess) leiten, so dass Kopf- und Handarbeit in ein ausgewogenes Verhältnis zueinander gebracht werden können“.10 Durch die handelnde Auseinandersetzung mit dem Unterrichtsinhalt und die anschließende Reflexion der gemachten Erfahrungen gelangen die Lernenden zu vertieften Erkenntnissen.11 Handlungsorientierte BNE ist organisatorisch anspruchsvoller als konventionelle, eher auf passive Wissensaufnahmen ausgerichtete Bildung. Sie fördert die Entstehung kognitiver Strukturen, die Freude an der Bildung und nachhaltigere Lernergebnisse, weil sich die Lernenden mit dem Thema und den Zielen der Bildungsmaßnahmen identifizieren.12 Handlungsorientierung erfordert in Schulen fächerübergreifendes Lernen (siehe Prinzip 6: Vielfalt an Perspektiven) und die Einübung von kooperativem und kommunikativem Handeln (siehe Prinzip 3: Gemeinschaft).

Vom Handeln zum Wissen?
Im Diskurs um die Ausgestaltung guter BNE wird darauf hingewiesen, dass Handlung nicht immer die natürliche Folge des Erwerbs von Wissen, Einstellungen und Werten darstellt. Vielmehr wird angeregt, auch über Handlungserfahrungen selbst Lernprozesse anzuregen und die Losung "vom Wissen zum Handeln" somit absichtsvoll zur Losung "vom Handeln zum Wissen" umzukehren.13

Handeln und Teilhabe fördern Selbstwirksamkeit14

Durch erfolgreiches Handeln wird das Selbstvertrauen in die eigenen Fähigkeiten und die Bereitschaft, sich aktiv einzusetzen, gestärkt. Partizipation, Handlungsorientierung und Selbstwirksamkeit stehen in einem unmittelbaren Zusammenhang. Selbswirksamkeitserfahrungen sind wichtige Förderer nachhaltigen Handelns ("Mein Handeln und mein Beitrag haben eine Wirkung!"). Sie entwickelt sich am ehesten, wenn es umfassende Möglichkeiten gibt, sich einzubringen, eigene Handlungsalternativen zu entwickeln und diese dann zu erproben und ihre Wirkungen dann zu bewerten und zu reflektieren. Die Umsetzung von Partizipation als Grundlage für Handlungsorientierung und Selbstwirksamkeit hat sich in formalen Lernumgebungen wie Schulen teilweise als Hürde erwiesen, rüttelt Partizipation doch an tradierten Funktionen der Lehrkraft, Partizipation heißt auch Verzicht auf Macht.15 Eine Mehrheit der Lehrkräfte ist jedoch (noch) nicht bereit, ihre Rolle konsequent und umfassend neu zu definieren, wie bisherige empirische Forschung zeigt. Das Ziel ist eine Lernpartnerschaft, in der die Stoffvermittlung durch die Unterstützung und Moderation hochgradig selbstständiger Lern- und Erprobungsprozesse abgelöst wird, so wie es konstruktivistisch orientierte Lehr-Lernformen zum Ziel haben.16

Prinzip 3: Gemeinschaft

Das Lernen in Gruppen ermöglicht den Erwerb wichtiger sozialer Kompetenz der BNE. Die Realisierung der komplexen Zielvorstellungen einer nachhaltigen Entwicklung kann nur gemeinsam mit anderen Menschen gelingen. In Gruppen zu interagieren bringt es beispielsweise mit sich, dass man auf unterschiedliche Standpunkte, Interesse und Problembewusstsein trifft.17 Im Austausch und in der Diskussion können „emotionale Spannungszustände“ entstehen, die eine Voraussetzung jeder Werteaneignung darstellen. Situationen, Handlungsweisen und vorhandene Wissensbestände werden im Austausch reflektiert und ggf. neu bewertet. Werden die daraus resultierenden Erkenntnisse und Handlungen individuell und in der sozialen Kommunikation als erfolgreich angesehen, kommt es zu einer Verankerung der handlungsleitenden Wertung ("Werteinteriorisation"). Durch die Kommunikation der so entstehenden Werte im sozialen Umfeld entsteht ein diskursives Normen- und Wertesystem, das, wenn es sich bewährt, immer wieder neu reproduziert wird.18
Das Lernen in Gruppen bzw. in Gemeinschaft bringt zudem als Vorteil mit sich, dass durch einen Wechsel zwischen kollektiven Lernphasen (Vermittlungsphasen, in denen Wissen und Perspektiven mit anderen Lernenden reflektiert werden) und Phasen der subjektiven Auseinandersetzung (Phasen, in denen sich die Lernenden individuell in ihrem Lerntempo mit den Inhalten auseinandersetzen) deutlich höhere Aufmerksamkeit im Lernprozess ermöglicht wird (sogenanntes "Sandwich-Prinzip).19

Prinzip 4: Alltagsbezug und Zugänglichkeit

Das didaktische Prinzip der Zugänglichkeit beinhaltet im Kern folgende Frage: Wie kann eine Nähe zum Lerngegenstand geschaffen werden, damit die Lernenden diesen begreifen und verstehen? Diese Frage ist in einer BNE zusätzlich anspruchsvoll, weil der Zugang zu komplexen und abstrakten Inhalten geschaffen werden muss. Das Gelernte muss für die Lernenden von Bedeutung für ihr gegenwärtiges und zukünftiges Leben sein. Damit dieser Zugang gelingt, muss in der Bildungsmaßnahme am Erfahrungshorizont, dem Vorwissen und den bestehenden Werthaltungen der Lernenden angeknüpft werden. Der Zugang kann auch gelingen, wenn durch die Bildungsmaßnahme selbst Erfahrungen ermöglicht werden und von diesen ausgehend der Lerninhalt erschlossen wird.20 Das Vorwissen und die Interessen der Lernenden in Bildungsmaßnahmen einzubeziehen, schafft günstige Voraussetzungen für Lernprozesse. Man spricht hier in der Lern-Lehr-Theorie vom konstruktivistischen Ansatz.21 Diese Forderung nach der Orientierung an den Lebenswelten der Lernenden schließt an wissenschaftliche Befunde an, die beschreiben, dass Entscheidungen im Feld der Nachhaltigkeit häufig von erfahrungsbasiertem, aber nicht explizitem Wissen und Urteilsheuristiken gesteuert ist.22 Durch die gezielte Ansprache dieser erfahrungsbasierten Grundlagen unserer Vorstellungen, Einstellungen und Handlungen können Lernende befähigt werden, verborgene, nicht-nachhaltige Deutungsrahmen zu reflektieren.23 An Erfahrungen und Lebenswelten orientierte Bildungsmaßnahmen sind daher erfolgreich, wie eine auch wachsende Zahl von Untersuchungen belegt.24

Kontext-Abhängigkeit von Kompetenzen

"Wir wissen nicht – und dürfen nach Lage psychologischer Erkenntnisse nicht optimistisch sein – dass etwa der Erwerb von Kenntnissen über den Raubbau am tropischen Regenwald auch dazu führt, die Kenntnisse in dieser Domäne auf ein anderes Raubbauphänomen, etwa die Überfischung der Kabeljaubestände, übertragen zu können".25

In der Forschung besteht Übereinstimmung, dass Kompetenzen grundsätzlich kontextuiert, also situationsbezogen, erworben werden. Unsere Kompetenzen und auch Wissensbestände sind demnach verbunden mit den Situationen, in denen wir sie erworben haben. Das betrifft auch die Schwierigkeit, Wissen von einem Problemfeld (Domäne) auf andere zu übertragen. Die Übertragungsleistungen sind als gering einzuschätzen, wie die sogenannte „Domänenforschung“ zeigt.26 Dies erschwert gleichsam die Aktivierbarkeit und Übertragbarkeit erworbener Kompetenzen im Alltag. Somit ist es von besonderer Bedeutung, dass Bildungsangebote einen hohen Alltagsbezug für die Lernenden aufweisen, damit Kompetenzen im Alltag aktiviert werden können.

Ein Lehrkonzept, dass dem Umstand der Kontextuiertheit von Wissen und Kompetenzen Rechnung trägt, ist das "situierte Lernen". Beim situierten Lernen wird von Lebenssituationen der Lernenden oder von aus dem Alltag bekannten gesellschaftlichen Problemen ausgegangen. Die Lernenden verarbeiten denkend ihre Lebenswirklichkeit, lernen zu handeln, wenden ihre fachlichen Kenntnisse an und setzen ihre Fähigkeiten ein, können Sinn in ihrem Lernen finden und Motivation für das Weiterlernen entwickeln. Situierte Lernsituationen sind offener, sie werden durch Wochenplan- und Freiarbeit, Planspiele, projektorientierte Bildungsmaßnahmen bzw. Unterricht u.a. strukturiert.27 Beim situierten Lernen hat der Lehrende eine andere Rolle, als beispielsweise der Lehrer im traditionellen Unterricht. Der Lernende steht im Mittelpunkt und der Lehrer hat die Aufgabe, im Werkzeuge zum Lernen zu geben. Der Lehrende soll ein Experte im Fachbereich sein und im Dialog mit dem Schüler, als Coach, an einer komplexen Aufgabenstellung arbeiten. Soziale Interaktion ist von grundlegender Bedeutung in diesem Prozess. Soziale Kontakte dienen als Möglichkeit, Bedeutung des Lerngegenstands auszuhandeln. Kooperatives Lernen, Lerngruppen uns das Lernen mit Experten sind von Bedeutung.28 BNE ist aufgrund der angewandten Methoden beispielgeben für die Konkretisierung des Konzeptes des Situierten Lernens.29

Prinzip 5: Gefühle

Werden Kompetenzen verstanden als das Zusammenspiel kognitiver, emotionaler und motivationaler Selbstorganisationsdispositionen, dann sind damit auch für den Kompetenzerwerb weit reichende Konsequenzen verbunden. Das Bewerten von Fertigkeiten und von Wissen, sowie der Situationen, in denen dieses eingesetzt wird, und damit die Aneignung und Interiorisation von Werten, rücken in den Vordergrund. Kompetenzerwerb kann als Wertlernen verstanden werden und setzt damit Interiorisationsprozesse voraus: Produktion und Reproduktion, Rezeption und Kommunikation von Werten stehen im Mittelpunkt. Die Interiorisation von Werten bedarf der Herbeiführung einer (emotionalen) Herausforderung, die durch gewohnte Handlungsroutinen und mit Hilfe bisheriger Wissensbestände nicht aufzulösen ist. Die erfolgreiche Bewältigung solcher konfliktbeladener Entscheidungssituationen wird als Motor von Wertentstehungen und Wertinteriorisation angesehen. Für die erfolgreiche Vermittlung von Kompetenzen werden damit verstärkt Methoden notwendig, die eine emotionale Ebene mit einbeziehen, bewährte Handlungsmuster durchbrechen und zu einer neuer Bewertung von Handlungsmöglichkeiten führen.30

Zentrale Bedeutung von Emotionen und Motivationen für Handlungskompetenz
Die Definition von Kompetenzen bedeutet, nicht nur auf den Erwerb von Wissen abzustellen, sondern beim Erwerb Emotionen, Handlungsmotive und -absichten sowie den Willen der Lernenden zu berücksichtigen. Die Bedeutung von Emotionen und von Handlungsmotiven für das Lernen ist unbestritten, 31 findet bisher aber in Bildungsangeboten kaum eine angemessene Berücksichtigung.32

Wie eignen wir uns neue Werte an?33

Da sich Werte nicht einfach vermitteln oder erlernen lassen, sondern aktiv angeeignet und verankert werden müssen, ist damit auch ein anderes Lernen verbunden. Dem Lernen muss es zunächst ermöglicht werden, sein eigenes Wertesystem zu erkennen, zu analysieren und auf Realitätsangemessenheit zu überprüfen. Neue Werte werden in einem Prozess stufenweiser Interiorisation in das bestehende Wertesystem integriert. Für das Verständnis dieser Prozesse der Wertaneignung lässt sich auf eine Reihe pädagogisch-psychologischer Ansätze zurückgreifen, die diese Prozesse beschreiben. Unter Berücksichtigung dieser verschiedenen emotions- und motivationspsychologischen Ansätze wurde ein vereinfachtes System des Interiorisationsprozesses entwickelt:34 Ausgangspunkt sind hierbei vorhandene gesellschaftliche Werte, die das Individuum kennt, aber noch nicht verinnerlicht hat und die dementsprechend nicht unmittelbar wirksam sind. Das Individuum steht im Alltag fortwährend vor individuellen und sozialen Entscheidungssituationen, die häufig nicht kognitiv, also unter Zuhilfenahme bereits vorhandenen Wissens oder Fertigkeiten, gelöst werden können. Ergeben sich neue, unbekannte Entscheidungssituationen, durch die eine solche Lösung nicht möglich erscheint, entsteht ein „emotionaler Spannungszustand“, der die Voraussetzung jeder Werteinteriorisation darstellt. Durch die Notwendigkeit, Entscheidungen angesichts von Unsicherheiten treffen zu müssen, werden Situationen, Handlungsweisen und vorhandene Wissensbestände reflektiert und bewertet. Werden die daraus resultierenden Handlungen individuell und in der sozialen Kommunikation als erfolgreich angesehen, kommt es zu einer Verankerung der handlungsleitenden Wertung (Werteinteriorisation). Durch die Kommunikation der so entstehenden Werte im sozialen Umfeld (vgl. Prinzip 3: Gemeinschaft) entsteht ein diskursives Normen- und Wertesystem, das, wenn es sich bewährt, immer wieder neu reproduziert wird.

Prinzip 6: Vielfalt an Perspektiven

Verschiedene Bildungsansätze, beispielsweise Umweltbildung und entwicklungspolitische Bildung, haben sich in der Vergangenheit bereits mit Teilaspekten verschiedener Fragen nachhaltiger Entwicklung beschäftigt. Das Konzept der BNE stellt diese bisher weitgehend getrennt diskutierten Perspektiven unter eine neue, ganzheitliche Perspektive.35 Der Lerngegenstand wird von mehreren Perspektiven aus beleuchtet und die verschiedenen Perspektiven werden zueinander in Verbindung gesetzt. Es geht nicht um die Vermittlung von isoliertem Faktenwissen, sondern um die Förderung vernetzten Denkens. Erst diese vernetzten Wissensbestände erlauben, dass Menschen zu begründeten Positionen im Hinblick auf nachhaltige Entwicklung gelangen. Ausgangspunkt der Vernetzung sind Handlungen, Entscheidungen oder Visionen von Menschen. Ausgehend davon werden Haupt- und Nebenfolgen, beabsichtigte und nicht beabsichtigte Folgen in Betracht gezogen. Diese Folgenbetrachtung geschieht mithilfe der Bereiche Gegenwart und Zukunft, ökologischen, ökonomischen und soziokulturellen Dimension, konkurrierenden und übereinstimmenden Interessen von Akteuren, Vernetzung von „lokal und global“.36
Dieses Prinzip trägt auch der Erfahrung Rechnung, dass wissenschaftliches Wissen nicht ausreicht, um alltags- und zugleich zukunftstaugliche Klärungen und Lösungen herbeizuführen. Alltagswissen, Expertenwissen, traditionelles Wissen, Kinderwissen und das Wissen verschiedener Kulturen können durch Kooperation und partizipative Arbeitsweisen in Bildungsprozesse einbezogen werden.37

Die Bedeutung der Zusammenarbeit mit externen Partnern im Rahmen der BNE

Eine zentrale Forderungen der BNE ist die stärkere Öffnung von Bildungseinrichtungen für die Zusammenarbeit mit anderen Akteuren der Gesellschaft. Neben Unternehmen und wissenschaftlichen Einrichtungen bieten sich besonders zivilgesellschaftliche Organisationen als Partner an.38

Die Komplexität nachhaltiger Entwicklung erfordert eine Thematisierung in möglichst vielen Lernanlässen und in fachübergreifenden bzw. fächerverbindenden Organisationsformen. Besonders zur Umsetzung der zentralen Prinzipien der Perspektivenvielfalt, der Handlungs- und der Alltagsorientierung bieten sich Kooperationen zwischen Lehreinrichtungen (Schulen, Berufsschulen, Kitas, ...) und zivilgesellschaftlichen Organisationen an. Diese können mit ihren Workshop-Angeboten und der oftmals jahrelangen BNE-Erfahrung einen niedrigschwelligen Einstieg und Unterstützung bieten. Auf diesem Weg kann zum einen das Themenspektrum erweitert werden, zum anderen können auch Kompetenzen gefördert werden, für die es vorrangig im "außerschulischen" Umfeld Lernorte und Lernanlässe gibt. Zudem zeichnen sich zivilgesellschaftliche BNE-Anbieterinnnen häufig u.a. durch eine hohe Fachexpertise, Motivation, Methodenkompetenz sowie ausgesprochene Fähigkeit zur Zielgruppenorientierung aus.39 Vereine und Initiativen sind daher wichtige Kooperationspartner im Rahmen der BNE.40

In der Zusammenarbeit mit externen Partnern eröffnen sich Möglichkeiten, Lernende an neue Themen und Inhalte heranzuführen, ihnen andersartige Bildungserfahrungen zu eröffnen und sie zugleich in lebensweltnahe Ernstsituationen einzubinden.41

Prinzip 7: Zusammenhänge im Fokus

Zur Lösung aktueller gesellschaftlicher Probleme ist eine „Spezialisierung auf den Zusammenhang“ nötig oder die Fähigkeit zum „systemischen Denken“. Die absolute Dominanz der Fachdisziplinen (Schulfächer, Forschungsfelder) verbaut die Perspektive auf die Zusammenhänge. BNE sollte sich auf Zusammenhänge spezialisieren und folgende Strukturmomente berücksichtigen:42

  • Problemorientierung und Handlungsorientierung - Einsichten in Zusammenhänge: Es wird von gesellschaftlich relevanten Sach- und Sozialproblemen ausgegangen und sich bemüht, Handlungsfelder aufzusuchen, die Lernende durch Einsichten in Zusammenhänge kooperativ und eigenverantwortlich handeln lassen.
  • Verantwortlichkeit - Zusammenhang von Entwicklungen: Auf die Ambivalenz und die Zusammenhänge wissenschaftlich-technischen Fortschritts auf der einen Seite und Verantwortlichkeit für Lebensgrundlagen, Lebensbedingungen für Menschen in ärmeren Ländern des globalen Südens und künftige Generationen wird immer wieder aufmerksam gemacht.
  • Lebensweltorientierung und Mitbestimmung - Zusammenhang mit dem eigenen Alltag: Die Inhalte werden der Lebenswelt der Lernenden entnommen und nicht primär den fachlichen Curricula. Lernende sind an der Auswahl aktiv beteiligt.
  • Vernetzung - als Grundprinzip der Realität: Es wird versucht, die Realität als vernetztes System erkennbar zu machen und Inhalte einzelner Fachdisziplinen bzw. (Schul-)Fächer in einem größeren Rahmen zu sehen. Orientierung an Problemen ist Ausgangspunkt.
  • Perspektivität - als Brille für Zusammenhänge: Die Wirklichkeit kann niemals nur eindeutig und objektiv, unabhängig von subjektiver Konstruktion erfasst werden. Deshalb ist das Hineinversetzen in andere Sichtweisen für die Erfahrung einer anderen Rationalität wichtig.
  • Gespräch und Kooperation mit gesellschaftlichen Akteuren - Zusammenhänge außerhalb formaler Bildungswelten nutzen:. Es ist eine Illusion zu glauben, dass Expertinnen formaler Bildungsinstitutionen (z.B. Lehrerinnen), allein Lernenden kompetent in gesellschaftliche Probleme einführen zu können. Hier ist immer wieder das Gespräch mit Expertinnen außerhalb formaler Bildungseinrichtungen wie Schule oder Hochschule zu suchen. Gerade in solchen Gesprächen können unterschiedliche Perspektiven etc. deutlich werden.43
Prinzip 8: Orientierung an Visionen

Die Frage, wie wir uns die Zukunft der Welt und der Gesellschaft wünschen, ist die Kernfrage nachhaltiger Entwicklung. Nachhaltigkeit ist somit ein optimistisches Konzept – es geht um die Entwicklung einer Vision für die gesellschaftliche Zukunft, in der gegenwärtig und zukünftig lebenden Menschen ein gutes Leben ermöglicht werden soll. Dieser optimistische Zugang muss auch die Bildungsangebote zu BNE prägen – dieser orientiert sich deshalb am Entwurf einer erwünschten Zukunft, an einer Vision. Auf diese Weise wird Lernenden ein positiver, optimistischer Zugang zu gesellschaftlichen Entwicklungen ermöglicht; im Zentrum stehen also weder gesellschaftliche Probleme noch Katastrophenszenarios. Dies bedeutet jedoch nicht, dass gesellschaftliche Probleme nicht angesprochen werden sollen. In der Auseinandersetzung mit den Visionen werden gesellschaftliche Probleme, aber auch das Potenzial der Gegenwart besprochen. Die Entwicklung von Visionen wird jedoch oftmals durch vertraute Denkmuster und stillschweigende Annahmen behindert. Menschen besitzen Vorstellungen darüber, wie die Welt funktioniert; sie interpretieren Neues im Lichte ihrer subjektiven Vorstellungen. Das führt dazu, dass Ungewohntes, das mit den eigenen Vorstellungen nicht im Einklang steht, als „unsinnig“ oder „unmöglich“ abgestempelt wird. Oft werden damit originelle Ideen und Vorschläge abgetan und sinnvolle Lösungen verhindert. Damit Ideen zur erwünschten Zukunft jedoch nicht an „falschen“ Vorannahmen scheitern oder durch unsere gewohnten Denkmuster eingeschränkt werden, ist es oftmals hilfreich, Methoden einzusetzen, die innovative kreative Ideen und Lösungen fördern (z. B. Kreativitätstechniken).44

Praxisbeispiel: Von der Katastrophen- zur Visionsorientierung
Dass Visionsorientierung keine leichte Aufgabe ist, zeigt das Beispiel der Diskussion um nachhaltigen Konsum, die nach wie vor fast ausschließlich von ökologischen Negativ-Szenarien sowie sozialen Krisenthemen der Ausbeutung dominiert wird. Im Sinne einer gestaltenden Modernisierungsperspektive hingegen ist zu fragen, wie neue und proaktive Wege zur Förderung eines nachhaltigen Konsums aussehen können. Es wäre danach zu fragen, wie sich menschliche Bedürfnisse (z.B. nach Identität und sozialer Zugehörigkeit) nicht primär über Konsumgüter (z.B. jährlich ein neues Handy), sondern immateriell (z.B. durch gemeinsame Projekte und Aktivitäten) befriedigen ließen.45 Entsprechend ist auch die Visionsorientierung ein zentrales didaktisches Prinzip, das bei der Gestaltung von Lernangeboten der BNE zu berücksichtigen ist.46

Ableitung von Methoden
Aus den genannten Prinzipien und Empfehlungen für BNE-Lernarrangements lassen sich innovative Methoden ableiten oder auch bekannte Methoden weiterentwickeln. Es gibt eine große Vielzahl möglicher Methodensets, je nachdem, welche Teilkompetenzen erworben werden sollen. Konkrete Beispiele sind Zukunftswerkstatt, Planspiele, künstlerisches Gestalten, Open Space, aktive Projektarbeit, Szenario-Technik, Aufbau von Kooperationen und vieles mehr.

Es gibt eine Vielzahl von Methodensammlungen, auch online. Ein Beispiel für den Schulbereich mit Zuordnung zu den Kompetenzen findet sich hier.

Die genannten Prinzipien und Methodenbeispiele sind wichtige Grundpfeiler guter BNE. Zum Umfeld des Lernprozesses kommen jedoch weitere Faktoren hinzu, die den Kompetenzerwerb entscheidend begünstigen können. Zu nennen ist inbesondere der sogenannte "whole institution approach" der besagt, dass beispielsweise eine Schule nicht nur Nachhaltigkeit lehren, sondern auch vorleben sollte. Die nachhaltige Umgestaltung des Schulalltags (Mensa, Energieversorgung, Beschaffung, ...) unter Mitwirkung der Lernenden hat vielfache kompetenzfördernde Wirkungen.47